Top Hauptmenü

Wirtschafts- und Unternehmenstour 2020 – Besuch bei Vivo Sens Medical und Lecturio

Bei meiner Wirtschafts- und Unternehmenstour durch Leipzig lerne ich immer wieder interessante Unternehmen kennen. So war ich Ende der vergangenen Woche unter anderem zu Besuch bei Vivo Sens Medical in Plagwitz. Das Unternehmen entwickelt sensorbasierte Diagnostiksysteme für verschiedene medizinische Fachbereiche. Als Basis für die Diagnostik dient die Körperkerntemperatur. Im Fokus von Vivo Sens Medical steht momentan die Frauengesundheit. Das erste herausgebrachte Produkt des Unternehmens ist der OvulaRing, ein vaginaler Biosensor, der 288 Mal am Tag die Körperkerntemperatur einer Frau misst und ihren individuellen Fruchtbarkeitszyklus in der zugehörigen Software abbilden kann. Die Technologie kann Paaren bei der Verhütung und beim Kinderwunsch helfen.

Besonders interessierte mich an Vivo Sens Medical die enge Verzahnung zwischen Forschung, Entwicklung und Kundinnenbetreuung. Die Ergebnisse aus der Verwendung des OvulaRings zeigen, dass die Modellannahmen der Medizin im Individualfall oft nicht greifen. Im wechselseitigen Austausch zwischen Unternehmen und Forschung können sich alle Beteiligten gegenseitig weiterbringen. Man sehe sich hierbei klar als Unterstützung für Ärzt*innen, erklärte mir Geschäftsführer Sebastian Alexander, und nicht etwa als Ersatz für eine fachlich fundierte Diagnose.

Im Moment wartet Vivo Sens auf die Genehmigung weiterer Forschungsgelder, um in anderen medizinischen Feldern, wie z.B. Autoimmunkrankheiten oder Krebsforschung, eine individuelle Diagnostik entwickeln zu können. Die Finanzierung sei der Punkt, bei dem es die meisten Herausforderungen gebe. Das sei vor allem ein deutsches bzw. europäisches Problem, denn Kapital sei eigentlich genug vorhanden. Deutschland und insbesondere Sachsen lieferten eine gute Innovationsförderung. Was vor allem fehle, sei privates Risikokapital. Mit solchen Geldern könne man die Forschung und den Markteintritt innovativer Produkte deutlich vorantreiben.

Trotz der teilweise langen Prozesse bereut es Alexander nicht, in Deutschland an den Produkten von Vivo Sens Medical zu arbeiten. Denn: „Wenn man es in Deutschland schafft, schafft man es überall.“

Auch mit einem weiteren Unternehmen habe ich mich über Deutschland als Firmenstandort ausgetauscht: Lecturio. Lecturio wurde 2008 von zwei Absolventen der HHL gegründet. Das ursprüngliche Ziel der Gründer war es, Vorlesungsinhalte zu digitalisieren, um diese von überall zugänglich zu machen. Das Vorhaben scheiterte am Widerstand der Universitäten, weshalb sich Lecturio zu einer E-Learning-Plattform weiterentwickelte. Dort können Lernvideos aus unterschiedlichen Fachrichtungen – mittlerweile schwerpunktmäßig aus dem Bereich Medizin – kostenpflichtig zur Aus- und Weiterbildung genutzt werden.

Geschäftsführer Pascal Bendien erklärte mir in unserem Gespräch, dass trotz der Corona-Pandemie deutsche Universitäten kaum Interesse an privaten Plattformen wie Lecturio zeigten. Viele bauten eigene Systeme auf oder nutzten „Big Player“ wie Zoom oder Microsoft.

Auf dem deutschen Markt Fuß zu fassen, ist für Lecturio schwierig. Weltweit verzeichnet das die Plattform hingegen Erfolge. So expandierte die Plattform bereits nach Afrika, Südamerika, China und Osteuropa und kooperiert mit namhaften Universitäten wie der Johns-Hopkins-Universität in den USA. Zusammen mit letzterer konnte Lecturio bereits Lernvideos mit Bezug zu Covid19 erstellen.

Ich wollte von Herrn Bendien wissen, was in Leipzig und Deutschland getan werden kann, damit junge Unternehmen besser Fuß fassen können. Ähnlich wie Herr Alexander von Vivo Sens Medical berichtet er, dass seiner Erfahrung nach private Kapitalgeber*innen, aber auch potentielle Kooperationspartner wie Universitäten oft sehr vorsichtig sind, was die Unterstützung junger Unternehmen und die Offenheit gegenüber Neuem angeht. Er würde sich wünschen, dass man in Deutschland Veränderungsprozesse als Chancen wahrnimmt und die Potentiale nutzt, die vorhanden sind. Ideen gebe es reichlich.