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Am Ende der Ausflüchte

Wie begegnen wir autonomer Gewalt?

Dieser Artikel erschien in der Leipziger Zeitung vom 26.06.2015

Seit dem in der Nacht des 5. Juni rund 100 Autonome zwischen dem Leipziger Johannapark und Bundesverwaltungsgericht randalierten und dabei auch Polizisten angriffen, ist die Debatte um politisch motivierte Gewalt erneut eröffnet.

Dabei steht für mich außer Frage, dass Gewalt niemals Mittel zur Durchsetzung politischer Interessen sein darf, sondern im Gegenteil immer das Ende der politischen Sphäre markiert. Militante Gewalttaten sind kein legitimer Ausdruck einer linken politischen Haltung, sondern kriminelle Akte, die sich hier zudem gegen Institutionen des Staates wenden. Diese stehen eindeutig außerhalb unserer Werte- und Rechtsordnung und müssen als Straftaten von den Ermittlungsbehörden mit allen rechtsstaatlichen Mitteln verfolgt werden.

Die Verurteilung von Gewalt als Mittel politischer Zielerreichung eint dabei alle im  Sächsischen Landtag vertretenen Parteien. Umso mehr verwunderte die jüngst im Plenum geführte Debatte. Statt unterschiedliche Ansätze zu diskutieren, erlebte man eine Fortsetzung des Schwarze-Peter-Spiels zwischen Land und Stadt und vor allem Schuldvorwürfe von konservativer Seite an die politische Linke.

Peinlich war sowohl das durchschaubare Manöver der Konservativen im Plenum gewalttätige Linksautonome als von der Linkspartei gesteuert darzustellen, als auch der Versuch des Fraktionsvorsitzenden der Linken darum herumzureden, dass die in Leipzig verübte Gewalt aus dem extremen linken politischen Spektrum kam. Gänzlich abstrus wirken Erklärungsversuche, welche die Taten auf ein Viertel im Leipziger Süden, welches laut Kriminalitätsstatistik eines der sichersten ist, oder auch die geisteswissenschaftlich ausgerichteten Universität zurückführten.
Beides ist weder sachlich gerechtfertigt noch zielführend, sondern instrumentalisiert die von Autonomen verübte Gewalt für eigene politische Zwecke. Die Gewalt wurde so erneut politisch missbraucht. Diskutieren müssen wir aber nach wiederholten Vorfällen politisch motivierter, kollektiver Gewalt von links in Leipzig ihre Gründe und mögliche Maßnahmen durch Polizei, Staatsregierung, Kommune und andere politische Akteure.

Wenn sich am 5. Juni ca. 100 Personen wirklich zu generalstabsmäßig geplanten Aktionen versammelten, ohne dass Verfassungsschutz oder Staatsschutz Hinweise bzw. Kenntnisse darüber erlangten, ist zu fragen: Werden diese trotz umfangreicher Mittel ihrer Aufgabe gerecht?
Wenn die kurzfristige Verlegung einer von zwei Hundertschaften nach Leipzig nun in Chemnitz für Engpässe sorgt: Ist der Personalabbau bei der Polizei nicht umgehend zu stoppen? Zudem: Können diese Bereitschaftskräfte nicht aus Dresden angefordert werden, wo drei Hundertschaften verbleiben?

Wo hat die Kommune über Möglichkeiten des Versammlungsrechts oder Präventionsprojekte Einflussmöglichkeiten, die zur De-Radikalisierung einer Szene beitragen?
Schon jetzt gibt es gute Beispiele: So arbeiten Präventionsprojekte des Trägers Minor unter anderem in Leipzig über Kultur mit linken Jugendlichen in ihren gewohnten Sozialräumen zu Themen wie Demokratie, Jugendkultur, Gewalt und politischem Handeln. Sie eröffnen Diskurse in Szenen zu denen klassische politische Bildung keinen Zugang hat.

Dabei erliege ich nicht der Imagination, dass sich militante Straftaten völlig unterbinden lassen. Trotz langjähriger Fanprojekte hat zuletzt u.a. Lok Leipzig erneut erleben müssen, dass aus dem Fanblock heraus massiv Gewalt gegen Spieler, Polizei und Ordnungskräfte verübt wurde.
Politik hat dennoch den Auftrag zu verhindern, dass sich Menschen abschotten und den Kontakt zur Gesellschaft verlieren. Hierauf sollten alle Ebenen – staatliche wie nichtstaatliche – zuvorderst ihr Augenmerk legen.

Holger Mann, MdL